Nur wenige Dinge lassen einem Online-Redakteur mehr das Herz bluten wie der Anblick der eigenen, mühsam erstellten Inhalte, die durch ein starres Content-Management-System unansehnlich ausgespielt werden. Erst recht, wenn die Inhalte über mehrere Kanäle präsentiert werden sollen. Ähnlich geht es dem Softwareentwickler, der oft vor der Aufgabe steht, die Vorgaben eines CMS zu umgehen, um den Wünschen des Redakteurs möglichst gerecht zu werden. Der wirklich Leidtragende ist zumeist aber der Leser, wenn er das Ergebnis zahlreicher Kompromisse konsumieren muss. Ein lesbarer Text ist da und doch ist zu erkennen, dass die Lösung keinem zu 100 Prozent gefällt.

Wer Content unterschiedlichster Art im Netz präsentieren möchte, befasst sich auch mit dem Thema CMS. Welches Content-Management-System ist das richtige? Wie funktioniert es und wie kann ich die Darstellung der Inhalte über die CMS-Grenzen hinaus steuern? Eine Angelegenheit, der man sich nicht kopflos stellen, sondern die man lieber mit einem konkreten Plan verfolgen sollte. Es sei denn, man entscheidet sich für ein Headless CMS. Was es kann, welche Vorteile es bietet und ob es tatsächlich eine echte Alternative zum traditionellen CMS darstellt, klären wir in diesem Artikel.

Was ist ein Headless CMS?

Ein klassisches CMS besteht in der Regel aus einem Backend und einem Frontend. Im Backend werden Medien wie Texte, Bilder und Videos gelagert und im Frontend ausgespielt. Das Frontend wird in den meisten Fällen als eine Webseite ausgegeben, wie man sie üblicherweise kennt. Besonders einfach an dieser Variante ist, dass die im Backend nach vorgegebenem Muster arrangierten Inhalte automatisch vom Frontend dargestellt werden. Man sieht also schon bei der Contentpflege, was am Ende dabei herauskommt. Das ist das Prinzip des WYSIWYG-Editors („What You See Is What You Get“). Für das klassische Content-Management-System gibt es dann noch einige Templates, aus denen der Anwender sein bevorzugtes Design auswählen kann. Das lässt sich noch ein wenig konfigurieren und wirft anschließend die fertige Webseite aus.

Ein Headless CMS verzichtet allerdings – wie der Name so schön sagt – auf den Kopf, also das Frontend. Es bietet lediglich den Körper als Verwaltungs- und Formatierungsoberfläche für den Content. Es geht rein um die redaktionelle Arbeit an strukturierten Inhalten. Das Frontend ist in dem Fall das Hoheitsgebiet des Entwicklerteams, das nun auf jede beliebige Technologie zurückgreifen kann, um die Inhalte auf jedem gewünschten Interface darzustellen. Das Content-Management ist hier also auf seine grundlegenden Wesenszüge reduziert.

Welche Vor- und Nachteile bringt ein Headless CMS mit sich?

Kein Einfluss auf das Layout: Raus aus der Komfortzone

Der erste Nachteil eines Headless CMS ist auf den zweiten Blick sogar ein Vorteil. Es kann für Redakteure ein wenig außerhalb der Komfortzone liegen, wenn sie Content produzieren und veröffentlichen, ohne wirklichen Einfluss auf die Darstellung zu haben. Dieses Prinzip wird jeder kennen, der sich vorzustellen versucht, in einem autonom fahrenden PKW zu sitzen. Sobald sich aber die Technik des Wagens, also der „Kopf“ des Ganzen, als zuverlässig erweist, kann man sich mühelos in seinem Backend zurücklehnen und die Fahrt genießen. Wichtig ist, dass man am Ende sein Ziel erreicht.

Wenn also das Frontend mit der richtigen Technologie so ausgereift ist, dass alle Inhalte strukturiert und einheitlich ausgespielt werden, dann ist ein Eingreifen des Redakteurs schlicht nicht mehr notwendig. Ein Umstand, an den man sich sicherlich gewöhnen muss, der aber im täglichen Umgang mit seinem Content durchaus seine Vorzüge hat. Man stelle sich nur vor, wie viel Zeit der Redakteur für andere Aufgaben hat, wenn er sich nicht auch noch um Korrekturen im Frontend bemühen muss.

Der Mehraufwand für ein separates Frontend kann sich lohnen

Auch der zweite „Nachteil“ ist vor allem für Betreiber größerer Webprojekte und mehrerer Contentkanäle eher ein Feature. Ein Headless CMS funktioniert leider nicht „out of the Box“, sondern braucht ein passend entwickeltes Frontend. Der Mehraufwand für die eigenständige Entwicklung eines Frontends ist aber absolut gerechtfertigt, wenn der Content dank des Headless CMS nur einmalig gepflegt werden muss und anschließend über alle gewünschten Kanäle ausgespielt werden kann. Zu diesen Kanälen zählen beispielsweise unterschiedliche Webseiten, Apps, Social Media-Kanäle, IoT-Devices oder auch diverse Display Touchpoints vor Ort, die vor allem für die Omnichannel-Vermarktung interessant sind. Auch das ist ein Faktor, der im Ergebnis Kosten sparen kann. Es braucht je nach Kanal nur eine passende API und schon wird der Content wunschgemäß aus dem Headless CMS gezogen.

Time-to-Market: Wartezeit ade!

Wer seine Marke über Web-Content erfolgreich vermarkten möchte, der muss neue Bewegungen am Markt oder die Einführung neuer Produkte und Leistungen zeitnah kommunizieren können. Mit einem professionellen Headless CMS spart man sehr viel Zeit. Denn der Redakteur muss nicht auf neue Resultate vom Entwickler warten und umgekehrt. Beide können ihrer Arbeit zielgerichtet nachgehen. Die Erstellung neuer Inhalte ist nicht mehr von Änderungen im Frontend abhängig, sodass der Time-to-Market-Aspekt umso effizienter ausfällt.

Kompaktes Datenlager

Besonderes Sparpotenzial für Unternehmen liegt auch in der Konsolidierung der Daten. Da sich der gesamte Content an einem Platz befindet und von dort aus über alle Kanäle ausgespielt werden kann, sind auch die Prozesse rund um die Verteilung und Lagerung der Inhalte deutlich schlanker. Voraussetzung dafür ist eine genaue Planung und Umsetzung der Prozesse rund um den Content-Workflow.

Best of Breed

Um effizientes Targeting zu betreiben, den Content zu personalisieren oder auch die Darstellung über die jeweiligen Kanäle zu beeinflussen, stehen beim traditionellen Content-Management-System meist nur die vorgegebenen Mittel zur Verfügung. Ein Headless CMS folgt dem „Best of Breed“-Ansatz. Es können ganz einfach die Tools genutzt werden, die den Unternehmenszielen am besten gerecht werden und Ziele wie SEO, Besucheranalysen, Tracking, Retargeting oder die Kontaktaufnahme zum Kunden bedienen. Es kommt nun die beste Drittanbieterlösung zum Einsatz und nicht mehr nur die erste verfügbare.

Usability the easy Way

Beim Thema Usability jubiliert der Redakteur. Das traditionelle Content-Management-System muss alle Funktionen, Designs und digitalen Assets in sich vereinen und wird in seiner Nutzeroberfläche schnell unübersichtlich und schwerer bedienbar. Im Headless CMS hingegen reduziert sich die Arbeit nur auf inhaltliche Funktionen. Es ist schlanker und viel unkomplizierter im Umgang. Darüber hinaus muss für alle bespielten Kanäle nur noch ein einziges Backend mit Content bedient werden. Einfach und schnell, da freut sich auch der Projektmanager.

Moderne Cloud-Architektur

Die meisten Systeme arbeiten cloudbasiert und benötigen daher keine teure Serverlandschaft. Dadurch, dass sie nur auf Content reduziert sind, lassen sie sich außerdem beliebig skalieren und stellen somit kein Hindernis für schnelleres Unternehmenswachstum dar.

Kreative Freiheit für alle

Strukturierter Content ist das eine, gute Customer Experience das andere. Jedes Jahr werden neue Trends publik, mit denen sich eine Marke noch besser an den Kunden bringen lassen soll. Alle im Unternehmen sind begeistert und möchten die Trends zu ihrem Vorteil nutzen. Oft schauen sie dann auf ihr traditionelles CMS und müssen feststellen, dass dies ohne teure und riskante Eingriffe in seine feste Struktur kaum möglich ist. Ernüchterung stellt sich ein und die Euphorie ist ebenso gebremst wie die Innovation.

Das Headless CMS eröffnet viel mehr Möglichkeiten. Der Content wird vom Redakteur gepflegt und der Entwickler kann jede beliebige Technologie nutzen und somit selbst entscheiden, welche Funktionen und Features eingesetzt werden. Es gibt keine Grenzen seitens eines traditionellen CMS mehr. Ob Java oder PHP: Alle verfügbaren Technologien lassen sich miteinander kombinieren, um das bestmögliche Ergebnis hervorzubringen. Das Projekt passt sich dem Markt an und nicht dem CMS. Die Wettbewerbsvorteile stehen Schlange.

Headless CMS: Die Vor- und Nachteile im Überblick

Vorteile:

  • Der Redakteur kümmert sich nur um die Contentpflege und muss keine Zeit dafür aufwenden, wie der Content letztendlich ausgespielt wird. Die Einhaltung der CI ist garantiert.
  • Gerade für größere Projekte lohnt sich der Mehraufwand eines eigens entwickelten Frontends.
  • Der Content kann durch das losgelöste Frontend schneller publiziert werden.
  • Für Personalisierung, Darstellung und Targeting kann man das jeweils beste Tool nutzen und ist nicht vom CMS in der Auswahl eingeschränkt.
  • Konsolidierte Daten für schlankere Prozesse.
  • Das Backend im Headless CMS ist schlanker und viel leichter zu bedienen.
  • Die meisten Headless-Systeme sind cloudbasiert und im Betrieb günstiger.
  • Für das Frontend kann jede beliebige Technologie genutzt werden, also ist auch jedes Feature realisierbar. Ein Gewinn für jedes Marketing und alle beteiligten Mitarbeiter.

Nachteile:

  • Der Mehraufwand für die Entwicklung eines separaten Frontends zeigt sich auch in der Kostenaufstellung.
  • Als Redakteur hat man im Headless CMS keinen Einfluss mehr darauf, wie Inhalte ausgespielt werden. Man fühlt sich ein wenig wie beim autonomen Fahren.

Headless in die Zukunft oder doch der traditionelle Weg?

Der Umstieg auf ein Headless CMS lohnt sich vor allem für Unternehmen, deren Contentstrategie auf die Bespielung gleich mehrerer Kanäle ausgelegt ist. Gerade für Multi- oder Omnichannel-Projekte kann ein Headless Content-Management-System aber ein wichtiger Innovationsfaktor sein. Der Arbeitsaufwand für ein separates Frontend erfordert meist deutlich weniger Zeit als die redaktionelle Arbeit an mehreren Backends. Auch der Kreativität sowohl der Redaktion als auch der Frontend-Entwickler sind keine Grenzen gesetzt, sodass dem Potenzial Ihrer Marke keine technischen Grenzen mehr gesetzt sind. Diese Freiheit sorgt zusätzlich für einen Motivationsschub unter den Mitarbeitern, weil sie ihre kreativen Ideen und Ziele endlich in die Tat umsetzen können.

Wer hingegen einen Blog betreiben oder eine kleine Unternehmenswebseite präsentieren möchte, für den ist der Mehraufwand durch die Trennung von Frontend und Backend wohl eher nicht zu rechtfertigen. In diesem Fall sind auch die Einschränkungen bei der Auswahl der Marketingfeatures in Kauf zu nehmen.

Ob ein Headless CMS für Ihr Unternehmen und Ihre Projekte die richtige Wahl ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Die Zahl der Content-Kanäle, die Frequenz redaktioneller Aktivitäten, die Anzahl Ihrer Leistungen und Produkte sowie die Ressourcen für die getrennte Bearbeitung von Backend und Frontend können hier eine Rolle spielen. Gerne werfen wir gemeinsam mit Ihnen einen genauen Blick auf Ihr Projekt und finden die für Ihr Unternehmen passende Lösung, die alle wichtigen Prozesse berücksichtigt und integriert.